Mittwoch, 17. Dezember 2008
Virtuelles Ödland
Als ich kürzlich durch Swiss City geschlendert bin, hab ich auf einmal gestutzt. Zwischen all den (fast klinisch) sauberen Häuschen und Firmensitzen war da ein Stück Land, welches man gemeinhin als "Schandfleck" bezeichnen würde: Ein brennendes Autowrack, wild durcheinander liegende Gegenstände... wie bei Hempels unterm Sofa, und auf jeden Fall ein Anblick, den man sich in Second Life nicht gewöhnt ist (und vermutlich schon gar nicht auf einer Schweizer Sim). Natürlich hat mich dieser Dorn im virtuellen Auge angezogen wie ein Magnet.
Bei näherer Betrachtung hat sich herausgestellt, dass das ganze Chaos in Wirklichkeit ein Experiment mit dem Namen "Terrain Vague" (= Ödland) ist. Die Urheberin, eine Studentin an der Ecole Cantonale d’Art de Lausanne, erklärt ihr Projekt folgendermassen:
"[...] j'ai été appelé à donner une identité à un terrain vague. La démarche à suivre était de trouver un terrain vague quelque part et d'ensuite le « disséquer ». [...] En soi, Second Life est un immense terrain vague mais neutre, on peu bâtir ce que l’on veut dessus, on donne à des terrains une vie. A l’encontre des règles morales de Second Life, nous avons décidé d’acheter une parcelle et de la « salir ». Normalement l'esthétique de second life est très propre, très pure, mais pour ce projet, nous allons à l'encontre de cela. Notre terrain vague est le seul endroit sur second life qui n'a pas d utilité, il n'a pas vraiment lieu d'être et c'est ce que nous trouvons intéressant, c'est très contradictoire pour Second Life!"
Sie hat also den Auftrag erhalten, einem öden Stück Land eine Identität zu geben. Dazu musste zuerst einmal ein geeignetes Stück Land gefunden werden, welches im Anschluss daran untersucht werden sollte. Dass die Studentin während ihrer Suche ausgerechnet auf Second Life gestossen ist, ist eigentlich kein Wunder. Denn sie sagt weiter, dass die ganze Welt von Second Life an sich eine riesige Einöde sei, jedoch sachlich, also ohne Identität, bis jemand nach Lust und Laune dem Land Leben einhaucht. Also habe sie die Idee gehabt, in Second Life etwas Land zu kaufen und dieses entgegen aller "moralischen Regeln" zu verschmutzen. Denn normalerweise sei Second Life sehr sauber, fast makellos, aber für dieses Projekt wollte sie sich diesem Trend entgegensetzen. Ihr "Terrain Vague" sei der einzige unnütze Ort in Second Life. Eigentlich habe er gar keine Daseinsberechtigung, was aber wiederum genau das Spannende daran sei, weil es eben sehr widersprüchlich sei für Second Life.
Um das ganze auch für die Residents in Second Life spannend zu gestalten, hat sie dazu aufgefordert, alte oder nicht mehr gebrauchte Gegenstände auf "Terrain Vague" zu deponieren. Einige Avatare haben von diesem Angebot reichlich gebrauch gemacht, und in ihrem Inventar längst vergessene Schätze ausgegraben. Das so entstandene Chaos kann hier in seiner ganzen Pracht bestaunt werden:
http://slurl.com/secondlife/Swiss%20City/209/126/23
Über die Ergebnisse dieses ungewöhnlichen Experiments halte ich euch natürlich auf dem Laufenden!
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